Im Packeis.
In den darauf folgenden 45 Tagen verbrachten wir unsere Zeit damit Eisbergen auszuweichen und Kanäle aufzuspüren. Hätten wir nicht einen starken Südwind auf unserer Seite gehabt und ein kleines Boot, so müßte ich bezweifeln, daß diese Geschichte jemals der Nachwelt übermittelt werden könnte.
Endlich kam ein Morgen, an dem mein Vater sagte:" Mein Sohn wir werden unser Zuhause wiedersehen. Wir sind fast durch das Eis hindurch. Sieh, das offene Meer liegt vor uns"!
Es waren aber einige Eisberge, die weit nördlich in das offene Meer getrieben waren auf beiden Seiten viele Meilen weit noch vor uns. Direkt vor uns lag laut Kompaß , der sich wieder reguliert, hatte geradeaus nördlich ein offenes Meer. Welch eine wunderliche Geschichte ist es doch, die wir den Leuten von Stockholm zu erzählen haben", fuhr mein Vater fort, und eine verzeihliche stolze Freude leuchtete aus seinem ehrlichen Gesicht . "Und denke an die Goldklumpen, die in der Halterung verstaut sind". Ich richtete freundliche Worte des Lobes an meinen Vater nicht nur der Tapferkeit und Ausdauer wegen, sondern auch wegen seines großen Mutes als Entdecker, weil er diese Reise gemacht hatte, die nun ein gutes Ende versprach. ich war auch dankbar, daß er, den Goldreichtum hatte, den wir nach Hause trugen.
Während wir einander zu unserem ausreichenden Vorrat Proviant und Wasser, den wir noch bei uns hatten, beglückwünschten und zu den Gefahren, denen wir entronnen waren, wurden wir zu Tode erschreckt durch das Geräusch einer furchtbaren Explosion, das vom abbrechen ein ungeheuren Eisbergstückes verursacht wurde. Es war ein ohrenzerreißender Krach wie das Abfeuern tausender Kanonen. Wir segelten gerade mit großer Schnelligkeit und waren zufällig in der Nähe eines monströsen Eisberges, der allem Anschein nach so unbeweglich war wie eine felsige Insel.
Es erwies sich aber, daß sich der Eisberg geteilt hatte und auseinanderbrach, wodurch das Gleichgewicht des Monstrums an dem wir entlang segelten, verloren ging, und es begann vor uns unterzutauchen kein Vater erfaßte die Gefahr schnell und bevor ich ihre schreckliche Möglichkeit gewahr wurde. Der Eisberg reichte bis einige hundert Meter tief in das Wasser hinab und während er umkippte, erfaßte das Stück das aus dem Wasser hervorkam, unser kleines Fischerboot wie einen Hebebaum auf einer Achse und warf es in die Luft wie einer Fußball.
Unser Boot fiel auf den Eisberg zurück, der mittlerweise die Seite, die uns am nächsten war, gegen die Spitze ausgewechselt hatte. Mein Vater war noch im Boot, weil er in der Verspannung verstrickt worden war, während ich 6 - 7 m weiter geschleudert wurde. Ich kletterte schnell auf meine Beine und rief meinen Vater der antwortete:" Alles in Ordnung".
In diesem Augenblick wurde mir etwas klar. Schrecken auf Schrecken! Das Blut gefror mir in den Adern. Der Eisberg war noch in Bewegung und sein großes Gewicht und die Gewalt des Umfallens würde bewirken, daß er vorübergehend unterging. Ich begriff völlig welch saugende Wirkung dies in den Wasserwelten auf allen Seiten auslösen würde. Sie würden in ihrer ganzen Wut in die Höhlung stürzen wie weißbezahnte Wölfe, wild auf menschliche Opfer.
In diesem nächsten Augenblick höchster geistiger Pein erinnerte ich mich, daß ich einen. Blick auf unser Boot warf, das auf der Seite lag und mich fragte ob es sich möglicherweise aufrichten ließe und ob mein Vater entkommen sein konnte. War dies das Ende all unserer Anstrengungen und Abenteuer? War das der Tod? All diese Fragen flitzten mir im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf. Einen Augenblick später war ich in ein Ringen auf Leben und Tod verwickelt. Der schwerfällige Eismonolith sank unter die Wasseroberfläche und die eisigen Wasser umgurgelten mich in wilder Wut. Ich war wie in einer Untertasse, in die Wasser von allen Seiten hinein strömte. Einen Augenblick noch und ich verlor das Bewußtsein.
Als das Bewußtsein zum Teil wiederkehrte und ich aus der Ohnmacht eines halbertrunkenen Mannes erwachte, fand ich mich selbst naß und steif und fast erfroren auf dem Eisberge liegend wieder. Von meinem Vater oder unserer kleinen Fischerschaluppe war weit und breit nichts zu sehen. Der Monsterberg war wieder zu sich gekommen und sein neues Gleichgewicht etwa 2o m hoch über die Wellen. Die Oberfläche dieser Eisinsel war ein Plateau das etwa einen halben Morgen groß war.
Ich liebte meinen Vater sehr und war schmerzverzehrt von der Furchtbarkeit seines Todes. Ich haderte mit dem Schicksal, weil mir nicht gestattet worden war, mit ihm in der Tiefe des Ozeans zu schlafen. Endlich richtete ich mich auf und sah um mich. Die violette Himmelskuppel über mir, der uferlos grüne Ozean unter mir und nur hier und da ein erkennbarer Eisberg. Mein Herz versank in hoffnungsloser Verzweiflung. Vorsichtig. machte ich meinen Weg über den Eisberg zur anderen Seite in der Hoffnung, daß sich unser Fischerfahrzeug, aufgerichtet hatte.
Wagte ich es, für möglich zu halten, daß mein Vater noch lebte? Es war nur der Schimmer einer Hoffnung, der in meinem Herzen aufflackerte. Aber die Erwartung erwärmte das Blut in meinen Adern und begann, wie ein kräftiges Belebungsmittel es durch jede Faser meines Körpers zu jagen.
Ich kroch bis an die steile Seite des Eisberges heran und spähte weit hinaus, indem ich hoffte, noch immer hoffte! Dann machte ich die Runde um den Berg, jeden Fußbreit des Weges prüfend und so umkreiste ich ihn immer wieder. Ein Teil meines Gehirns war gewiß dabei, wahnsinnig zu werden, während ein anderer Teil, und tue das noch bis auf diesen Tag, ganz und gar vernünftig war.
Ich war mir bewußt, die Runde ein Dutzend mal gemacht zuhaben und während ein Teil meiner Intelligenz in jeder Beziehung wußte daß nicht die Spur einer Hoffnung vorhanden war, befiel und zwang mich eine seltsame Suggestion, mich mit einer Hoffnung zu betrügen. Der andere Teil meines Gehirns schien mir zu sagen, daß, obwohl gar keine Hoffnung bestand, daß mein Vater noch lebte, ich wenn ich mit meinem kreisartigen Pilgergang aufhörte, wenn ich nur für einen Moment pausierte, daß dies das Eingestehen einer Niederlage sein würde und ich fühlte, daß ich, wenn ich, das täte wahnsinnig werden würde, So machte ich Stunde um Stunde die Runde, ich hatte Angst damit aufzuhören und zu ruhen und war doch physisch zu kraftlos, um es noch viel länger fortsetzen zu können. Oh Schrecken auf Schrecken, schiffbrüchig zu sein in dieser großen Wasserunendlichkeit ohne Nahrung und Wasser und nur einen. trügerischen Eisberg als Aufenthaltsort zu haben. Das Herz blieb mir vor Schrecken stehen, der leiseste Hoffnungsschimmer verschwand in purer Verzweiflung.
Dann streckte sich die Hand des Erlösers aus und die Todesstille der Einsamkeit, die schnell unerträglich wird, wurde plötzlich durch das Abfeuern eines Alarmschusses durchbrochen. Ich sah in erschrecktem Erstaunen nach oben und erblickte in weniger als 1 km entfernt ein Walfischboot, das sich direkt auf mich zu bewegte, die Segel voll gesetzt.
Offenbar hatte meine fortwährende Bewegung auf dem Eisberg ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Näherkommend, setzten sie ein Boot aus und ließen es vorsichtig zur Wasserkante hinab. Ich war gerettet und wenig später an Bord des Walfischfangbootes gehoben.
Ich entdeckte, daß es ein schottischer. Walfischfänger "The Arlirngton" war. Sie hatte Dundee im September verlassen und hatte unmittelbar auf der Suche nach Walfisch zur Antarktis ausgesetzt. Der Kapitän, Angus MacPherson ,schien freundlich zu sein in Angelegenheiten der Disziplin aber verfügte er wie ich später bemerkte, über einen eisernen Willen. Als ich versuchte. Ihm zu schildern, daß ich von der "Innenseite" der Erde kam, warfen sich. Der Kapitän und sein Maat einen Blick zu, schüttelten ihre Köpfe und bestanden darauf, daß ich in eine Schlafkoje und unter strenger Beobachtung des Schiffsarztes gegeben würde.
Ich war vor Hunger sehr schwach und hatte viele Stunden nicht geschlafen. Nach einigen Ruhetagen aber stand ich eines Morgens auf zog mich ohne die Genehmigung des Arztes oder irgendeines Anderen einzuholen, an und erklärte ihm, daß ich so gesund wäre wie jeder andere auch. Der Kapitän ließ mich holen und befragte mich woher ich gekommen und wie es zugegangen wäre, daß ich mich allein auf einem Eisberg so weit entfernt in dem antarktischen Ozean befand.
Ich antwortete, daß ich gerade von der Innenseite der Erde gekommen wäre, und fuhr fort ihm zu erzählen, wie mein Vater und ich hinein gelangt wären, über Spitzbergen und über den Südpol wieder herausgekommen wären, woraufhin ich in Eisen gelegt wurde. Ich hörte den Kapitän später zu seinem Maat sagen, daß ich so verrückt wäre wie Märzhase und eingesperrt bleiben müßte, bis ich vernünftig genug wäre einen wahrheitsgetreuen Bericht über mich selbst abzugeben.
Endlich wurde ich nach vielen Bitten und auf viele Versprechen. Hin von dem Eisen befreit. ich beschloß, auf der Stelle die eine oder andere Geschichte zu erfinden, die den Kapitän zufriedenstellen würde und das ich nie wieder auf meine Reise in das Land des "in Feuer gehüllten Gottes" zurückkommen würde, zumindest so lange nicht, bis ich unter Freunden sicher wäre.
Im Laufe von 14 Tagen wurde mir gestattet, mich frei zu bewegen meinen Platz einzunehmen als einer der Seemänner. Etwas später bat mich der Kapitän um eine Erklärung. Ich sagte ihm das meine Erfahrungen so furchtbar gewesen wären daß ich meinem Gedächtnis nicht mehr trauen könnte und bat ihn, mir zu gestatten, die Frage bis zu einem anderen Zeitpunkt unbeantwortet zu lassen. "Ich habe das Gefühl daß du dich gut erholst", sagte er "aber du bist noch bisweilen nicht normal". Gestatten sie mir, Arbeiten zu verrichten die sie mir anweisen" antwortete ich "und wenn sie das nicht genügend entschädigt werde ich alles - bis auf den letzten Cent- begleichen sobald ich Stockholm bin. Wir ließen die Sache dahingestellt sein.
Als ich endlich Stockholm erreichte, erfuhr ich wie bereits geschildert, daß meine gute Mutter vor mehr als Jahr entschlafen war. Ich habe auch geschildert, wie mich später der Betrug eines Verwandten in ein Irrenhaus brachte in dem ich 28 Jahre, scheinbar endlose Jahre, verblieb und wie ich später, nach meiner Entlassung, zum Leben eines Fischers zurückkehrte, einem Leben, dem ich 27Jahre lang emsig folgte, und wie ich dann nach Amerika kam und endlich nach Los Angeles in Kalifonien. Aber dieses alles kann den Leser wenig interessieren.
Es ist mir, als ob der höchste Punkt meiner wunderbaren Reise und seltsamen Abenteuer erreicht gewesen war, als mich ein schottisches Segelschiff von einem Eisberg im antarktischen Ozean auflas.
[ Weiter zu Teil 6 ]
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